Blickpunkt
Im IParl-Blickpunkt wird politischen Entwicklungen allgemeinverständlich und pointiert nachgegangen. Die Autor*innen analysieren Themen, die in der breiten Öffentlichkeit debattiert werden und ordnen sie auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse ein. In der Reihe werden Analysen, Dokumentationen oder Policy-Empfehlungen mit dem Schwerpunkt Parlamente und Parteien veröffentlicht.
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In den Landtagswahlkämpfen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen spielte unter anderem auch die Ostidentität eine Rolle. Wie Studien zeigen, bekleiden Ostdeutsche gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil nur wenige Führungspositionen — auch in den neuen Bundesländern selbst. Ob dies auch für die zur Wahl stehenden Kandidaten gilt, untersucht dieser Blickpunkt. Sind Ostdeutsche unter den Kandidaten unter dem Blickwinkel proportionaler Vertretung — also deskriptiv — über- oder unterrepräsentiert? Wie hat sich dies über die Zeit entwickelt? Und spiegelt sich die Zuschreibung „Ostpartei“ auch im Kandidatenportfolio wider?
In the run-up to the 2024 European Parliament elections, the Identity and Democracy group expelled all members of the German far-right AfD (Alternative for Germany). While this was a publicly noticed spectacular incident, expulsions from Parliamentary Party Groups (PPGs) occur regularly and across different countries. Against this background, and drawing on our SOPiP project (Standing Orders of Parties in Parliament), this Blickpunkt sheds light on the formal rules for excluding MPs from their groups in parliament. Investigating 95 documents which span 15 countries plus the European Parliament, we found that almost two-thirds of the rulebooks include pertinent provisions. However, the rules greatly vary as to who takes the decision, on what grounds, and whether procedural safeguards exist. Sometimes, super majority requirements go together with several other protections for individual MPs. In rare cases, the leadership decides on expulsions with lower material and procedural hurdles. The relevance of such rules should not be overlooked
since the sheer option to remove MPs from the group can influence the members’ behaviour.
Seit mehr als 15 Jahren ist das Bundeswahlgesetz mittlerweile eine Dauerreformbaustelle. Nun hat der Bundestag mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen dessen bislang umfangreichste Reform beschlossen. Die Oppositionsfraktionen, allen voran CDU/CSU und Linke, üben mitunter harsche Kritik am neuen Gesetz. Aber was ändert sich durch die Reform, und was taugt sie? Es werden voraussichtlich künftig einzelne Wahlkreise ohne direktgewählte Abgeordnete auskommen müssen. Das heißt aber nicht, dass diese Wahlkreise und ihre Wähler nicht repräsentiert werden oder dass sich gar die Repräsentationsleistung des Bundestags dadurch verschlechtern muss. Ob hingegen die Streichung der Grundmandatsklausel ein notwendiger Reformschritt war, bleibt fraglich. Alles in allem kann man dem neuen Wahlgesetz aber bescheinigen, dass es viele Probleme, allen voran die Vergrößerung des Bundestags und negative Stimmgewichte, behebt.
Artikel 49.3 der französischen Verfassung ermöglicht es der Regierung, Gesetze ohne die Zustimmung der Nationalversammlung zu verabschieden – wie etwa bei der hoch umstrittenen Verabschiedung der Rentenreform im vergangenen Frühjahr. Die Zahl der Fälle, in denen dieses Verfahren angewendet wurde, ist seit Herbst 2022 sprunghaft angestiegen. Der Blickpunkt befasst sich mit den Fragen, woher jene Verfassungsnorm kommt, wie sie in der Vergangenheit eingesetzt wurde und erklärt die Gründe für ihre Bedeutung in der heutigen politischen Landschaft Frankreichs.
Article 49.3 of the French Constitution enables the government to pass bills without the consent of the National Assembly, something regularly commented upon. Traditionally
of rare occurrence, the number of its uses has skyrocketed in the past year, and even got wide media coverage when it was used to pass a controversial pension reform last spring.
This issue of the Blickpunkt takes a deeper look into what this procedure actually is, where it comes from, how it was used historically, and explains the reasons of its newfound
relevance in nowadays French political configuration, as well as its risks for parliamentary democracy.
Die Debatte über eine potentielle Abspaltung des sogenannten Wagenknecht-Lagers innerhalb der Linkspartei wird seit mehreren Monaten mit harten Bandagen geführt und erreichte unlängst ihren vorläufigen Höhepunkt mit der Forderung des Parteivorstandes, Sahra Wagenknecht solle ihr Bundestagsmandat zurückgeben. Seit längerem steht mehr oder minder offen der geplante Bruch eines Teils der Linken-Abgeordneten mit ihrer Fraktion im Raum, dem die Partei nun zuvorkommen möchte. Dass Abgeordnete inmitten einer Wahlperiode ihre Fraktion verlassen, ist nach wie vor eher eine Seltenheit iin Deutschland, eine parlamentarische Abspaltung umso mehr. Dennoch zeigt ein neuer IParl-Datensatz über die Wechsel der Fraktionszugehörigkeit auf Bundes- und Landesebene, dass in beinahe jeder Wahlperiode der vergangenen drei Jahrzehnte einer oder mehrere Abgeordnete (un-)freiwillig ihre Fraktion verlassen haben.
Die Repräsentationsleistung des House of Lords wird nach den in der Forschung entwickelten Kategorien diskutiert. Zu fragen ist also: Wie ist Repräsentation im britischen Fall
organisiert (Verfahren)? Welche Gruppen der Gesellschaft bilden sich ab, deskriptiv wie symbolisch (Abbildung)? Welche Interessen setzen sich durch (Inhalte)? Das Verfahren
zur Bestellung des House of Lords erweist sich als unfertig und widersprüchlich. Inhaltlich entleert wird es durch eine überbordende Ernennungspraxis. Die Labour-Partei hat bei
einem Wahlsieg eine Totalrevision angekündigt. Die Chancen dafür sind wegen vieler ungeklärter Probleme und der niedrigen politischen Priorität einer House of Lords-Reform
gering. Die Repräsentation von Frauen im Oberhaus bleibt relativ gering, der Gedanke des sanior pars hält sich zäh. Er hat auch Grundlagen in der Gesetzesverbesserung durch das
Oberhaus. Die Crossbenchers, also die Mitglieder des House of Lords, die sich keinem parteipolitischen Lager zuordnen, spielen hierbei eine wichtige Rolle. Parteipolitisch lässt
sich zwar die Ernennungspraxis gestalten; das Oberhaus zu einer nur parteipolitischen Arena zu machen, dafür reicht der Einfluss der Premierminister bisher nicht. Es bleibt dabei:
Das House of Lords ist eine Reformbaustelle, auch wenn gerade die Option eines gewählten Oberhauses in keiner der bisher vorgestellten Versionen eine Mehrheit findet.
Im Rahmen des neuen IParl-Forschungsprojekts CandiData wird das von den Parteien für Parlamentswahlen in Deutschland aufgestellte Kandidatenangebot im Längsschnitt untersucht. Dafür wurden bislang alle bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen seit 2013 nominierten Personen erfasst. In diesem Blickpunkt stellen wir das Projekt vor und gehen in einem ersten Schritt der Frage nach, wie hoch die Erneuerungsrate der Parteien, verstanden als der Neulingsanteil unter allen Kandidaten, ausfällt. Als Neulinge werden dabei Personen aufgefasst, die sich vorher noch zu keiner Wahl gestellt haben – egal ob im Wahlkreis oder auf der Parteiliste und unabhängig von der Kandidaturebene (Land, Bund, Europa). Es zeigt sich, dass etwa sechs von zehn Nominierten zum allerersten Mal angetreten sind. Ein Anzeichen für den oft behaupteten Niedergang der Parteien ist das nicht. Offensichtlich besteht für den betrachteten Zeitraum auch kein Abwärtstrend.
Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat am 28. September in seiner Verhandlung über Wahleinsprüche gegen die Ergebnisse der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksvertretungen seine vorläufige Einschätzung der Rechtslage dargestellt: Vorbereitung und Durchführung dieser Wahlen – die 2021 zeitgleich mit denen zum Bundestag und mit einer Volksabstimmung veranstaltet worden waren – seien mit einer solchen Vielzahl von Wahlfehlern behaftet, dass sie vollständig für ungültig erklärt und wiederholt werden müssten. Inwiefern dieser Gerichtsentscheid als "Übergriff in korrekt erworbene Parlamentsmandate" zu werten ist und ob die derzeitige Fehlerbehandlung womöglich mehr Schaden anrichte als zu bewahren, diskutiert Wolfgang Zeh in diesem neu geschaffenen Format des Blickpunkt aktuell.
Die Bundestagswahl 2021 markierte die erste Wahl auf Bundesebene, bei der kein amtierender Regierungschef zur Wiederwahl antrat. Während für Landesregierungen ein Inhaber-Bonus festgehalten werden konnte, wurde die Frage, ob Landesregierungschefs von
einem Amtsbonus profitieren, bisher nur wenig beleuchtet. Ausgangspunkt dieser Untersuchung bildete die bislang ungeprüfte Wahrnehmung, dass amtierende Ministerpräsidenten vergleichsweise selten bei Landtagswahlen verlieren. Anhand einer Analyse aller Landtagswahlen der vergangenen 31 Jahre (1991 bis Mai 2022) wurde nachvollzogen, wie oft der Fall auftrat, dass von einem Amtsbonus auf Landesebene die Rede sein kann und welche Faktoren verstärkt mit der Ab- bzw. Wiederwahl einhergehen.
Am 10. und 24. April wird in Frankreich der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin der V. Republik gewählt. Zahlreiche Personen wollen zur Wahl antreten. Der Blickpunkt zeigt, wie die Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahlen ausgewählt wurden und geht der Frage nach, warum Sozialisten (PS) und Konservative (LR) von der Methode der offenen Vorwahlen abgewichen sind, während die Grünen (EELV) an diesem Verfahren festhielten. Die Analyse offenbart, dass PS und LR zur erneuten Durchführung offener Vorwahlen großen Hürden gegenüberstanden, die in erster Linie an die Negativerfahrungen der Präsidentschaftswahlen 2017 geknüpft waren. Dennoch lassen diese Entwicklungen nicht unmittelbar auf ein Ende offener Vorwahlen schließen: Vor dem Hintergrund starker interner Spaltungen, massiver Mitgliederverluste und einer starken Personalisierung der Politik erscheinen die Vorwahlen immer noch als potenzielles Legitimationsinstrument.
Les 10 et 24 avril prochain, la France élira le prochain Président ou la prochaine Présidente de la Vème République. Alors que la campagne entre dans ses semaines les plus intenses, ce Blickpunkt revient sur la façon dont ont été choisis les candidat.e.s à l’élection, et tout particulièrement sur l’abandon, par les socialistes (PS) et les conservateurs (LR), de la méthode des primaires ouvertes qui avait été plébiscitée ces dernières années, alors que les écologistes (EELV) ont conservé ce mode de sélection. On montre que les résistances du PS et de LR trouvent d’abord leurs racines dans l’expérience négative de l’élection de 2017, et l’instabilité partisane qui en a résulté. On ne peut cependant pas conclure à la fin des primaires ouvertes pour autant : dans un contexte de fortes divisions internes, de perte massive d’adhérents et de forte personnalisation de la politique, elles apparaissent encore comme un potentiel outil de légitimation.
Zweiteilige Parlamentsstrukturen existieren ungefähr in der Hälfte aller europäischen Staaten. Obwohl Entscheidungen von Zweiten Kammern erhebliche Auswirkungen auf den politischen Prozess haben können, stehen sie nicht häufig im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Insbesondere ist wenig bekannt über die Frage, wie Repräsentation in Zweiten Kammern durch rechtliche Vorgaben vorstrukturiert wird. Dieser Lücke nimmt sich dieser Blickpunkt für den europäischen Raum an und fragt, wie Repräsentation in Zweiten Kammern verfassungsrechtlich normiert ist, welche Bestellungsmodi existieren, aber auch, welche Mindestaltervorgaben, Mandatsdauern, personellen Größen und Teilerneuerungsmöglichkeiten durch (in)direkte Wahlen vorgesehen sind. Zusätzlich interessiert, ob europäische Zweite Kammern mit auf bestimmte Bevölkerungsgruppen spezialisierter Repräsentation ausgestattet werden, um Repräsentationsdefizite der Ersten Kammern zu mildern. Zusammenfassend lässt sich ein erstes Bild europäischer Zweiter Kammern zeichnen, das nicht allen Erwartungen aus der Forschung entspricht.
Das ostafrikanische Tansania geriet in den vergangenen Monaten aufgrund der Wiederwahl eines corona-skeptischen Präsidenten und dessen überraschendem Tod ins Blickfeld der deutschen Öffentlichkeit. Weitgehend unbeachtet geblieben sind dagegen die Wahlen zur Nationalversammlung vom Oktober 2020. Auch wenn das Präsidentenamt den institutionellen Mittelpunkt vieler afrikanischer Regierungssysteme darstellt, verdienen die Parlamente mehr Aufmerksamkeit. Vor diesem Hintergrund beleuchtet der Blickpunkt die Entwicklung der Wahlergebnisse bei tansanischen Parlamentswahlen seit 1995. Er geht insbesondere den Fragen nach, wodurch die Dominanz der Regierungspartei hervorgerufen wird und wie sie zu bewerten ist. Angesichts der kaum vorhandenen institutionalisierten Opposition ist von einer Schwächung des Parlaments insgesamt auszugehen. Mit einem Ende der Einparteiendominanz kann absehbar nicht gerechnet werden, da vielfältige Wettbewerbseinschränkungen auch unter der aktuellen Präsidentin fortbestehen.
Im Bundestagswahlkampf 2021 hebt sich die Kanzlerkandidatin der Bündnisgrünen, Annalena Baerbock, durch ein Merkmal hervor – ihr Geschlecht. Dass dies so ist, spricht für die ungebrochene Wirkmächtigkeit tradierter Geschlechterrollen. Wie die Frage der Geschlechtergerechtigkeit in Parlamenten zukünftig beantwortet werden kann, untersucht dieser Blickpunkt. Nachdem Paritätsgesetze vorerst gescheitert sind, braucht es andere Ansätze. Der Ball liegt wieder bei den politischen Parteien. Das innerparteiliche Problembewusstsein ist weithin vorhanden. Ein Ausgleich der Geschlechter auf den Listen findet mit Ausnahme der AfD in jeder Bundestagspartei große Zustimmung. An Umsetzungsmöglichkeiten, angefangen bei der freiwilligen Frauenquote, mangelt es nicht. Doch auch die Wählerinnen und Wähler können beim Thema parlamentarische Repräsentation von Frauen Gewicht entfalten. Sie müssten es bei der kommenden Bundestagswahl im September nur in die Waagschale werfen.
In seinen ersten 100 Tagen im Weißen Haus hat der neue US-Präsident Joe Biden ein anspruchsvolles Tempo vorgelegt. Zu den zentralen politischen Herausforderungen zählten die Bekämpfung der COVID19-Pandemie, die zügige Entwicklung einer Impfstrategie, die Rücknahme vieler Weichenstellungen der Vorgängerregierung sowie eine breit beachtete Initiative in der Klimapolitik. Neben inhaltlichen Aspekten stehen auch Reformen des politischen Systems auf der Agenda. Bei deren Umsetzung kann sich Biden aber nur auf knappe Mehrheiten der Demokratischen Partei im Kongress stützen.
Die US-Präsidentschaftswahlen 2020 sind überschattet vom Vorwurf Donald Trumps, die Demokraten hätten ihm den Sieg mittels der Briefwahl gestohlen. Diese für den demokratischen Prozess belastende Entwicklung soll als Anlass dienen, zu fragen, wie sicher das Wählen per Brief in Deutschland ist? Ist im kommenden Superwahljahr mit Wahlbetrug und Wahlfehlern mittels Briefwahl zu rechnen?
In Corona-Zeiten schlug nach Meinung vieler Beobachter die „Stunde der Exekutive“, die vor allem eines nicht sei: die „Stunde der parlamentarischen Opposition“. In der ersten Blickpunkt-Ausgabe des IParl untersucht Anastasia Pyschny, in welchem Ausmaß die Opposition nach Ausbruch des Coronavirus die Regierung kontrollierte und zeigt auf, welche Schlussfolgerungen sie (nicht) daraus ziehen sollte.