Kandidaten-Casting per bundesweiter Stellenanzeige

Ein Bericht aus der Feldforschung

Gratulation nach erfolgreicher Wahl (Bild: SPD Bitburg-Prüm)

Wer hat nicht alles darüber berichtet: F.A.Z., Süddeutsche, Der Spiegel... Der SWR twitterte: „Kandidaten-Casting bei der #SPD Bitburg-Prüm“. Selbst die Tagesthemen griffen dieses Thema auf. Für die drei kleinen Kreisverbände der SPD, die sich den Bundestagswahlkreis 203 „Bitburg“ in Rheinland-Pfalz teilen, kam dieses mediale Echo überraschend. Wie ist die außergewöhnliche Kandidatensuche ausgegangen? Hier sind ein paar Eindrücke im journalistischen Stil:

Die Vorgeschichte: Der Wahlkreis „Bitburg“ lässt sich – gelinde gesagt – als aussichtslos für das Gewinnen des Direktmandates für die SPD bezeichnen. Gewonnen wurde es seit 1949 immer von der CDU, ohne Ausnahme. 2013 erhielt der Bewerber der SPD, Jens Jenssen, ein gutes Viertel der Erststimmen. Sein Kontrahent von der CDU, Patrick Schnieder, verbuchte mit 56 Prozent eine satte absolute Mehrheit.

Die Stellenanzeige: Zur Aufstellung für die Bundestagswahl 2017 wurde von der SPD kurzerhand eine Stellenanzeige mit dem Titel: „Du möchtest Bundestagsabgeordnete/r werden?“ geschaltet. Insgesamt gingen 118 Bewerbungen ein. Elf Bewerber wurden zum Bewerbungsgespräch eingeladen, darunter ein Radiomoderator. Am Ende fiel die Vorauswahl auf Antonio Giarra-Zimmermann und Jan Pauls: der erste politisch sehr erfahren und Leiter der Abteilung für Bundesangelegenheiten in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz; der zweite ein ehemaliger Bundeswehr-Hauptmann, mittlerweile als Maschinenbauingenieur tätig. Zudem schlug der Kreisverband Vulkaneifel Tobias Geisbüsch vor, einen Landschaftsarchitekten.

Die Vorstellungen: Mit der persönlichen Vorstellung der Bewerber und anschließenden Aussprache kehrte Routine in die außergewöhnliche Kandidatensuche ein. Geisbüsch stellte seine Nähe zu den Bürgern und die infrastrukturellen Erfordernisse in der Eifel heraus. Er rief zu mehr demokratischer Teilhabe auf, auch im Wahlkreis. Pauls nutzte die zehnminütige Redezeit, um die Bedeutung von politischer Führung herauszustellen. Dass er sich mit seiner Frau noch am Tage der Nominierungsveranstaltung eine Wohnung in Prüm angesehen habe, wurde mit Zwischenapplaus bedacht. Giarra-Zimmermann gab sich kosmopolitisch und ließ zugleich erkennen, dass er das politische Geschäft kennt. Zukünftig in der Eifel zu wohnen, wenn er denn als Bewerber aufgestellt werden würde, sei für ihn selbstverständlich.

Die Aussprache: Einige Delegierte stellten Fragen an das Bewerber-Trio, doch auch hier gab es keine herausragenden Vorkommnisse, keine Aufreger, keine Patzer. Giarra-Zimmermann antwortete fachkundig und mit der ihm eigenen politischen Erfahrung, Jan Pauls war anzumerken, dass er relativ neu im politischen Geschäft ist. Er kokettierte damit jedoch nicht.

Die Eindrücke: Als die Stimmabgabe mit anschließender Auszählung begann, konnte man einen spannenden Zweikampf zwischen Antonio Giarra-Zimmermann und Jan Pauls erwarten. Giarra-Zimmermanns politische Erfahrungen und seine vertiefte Auseinandersetzung mit tagesaktuellen Themen waren sicherlich seine Stärken. Jan Pauls, der frühere Bundeswehroffizier, konnte bei den Delegierten vor allem mit seiner Verbundenheit zur Region und seiner Gelassenheit in politischen Fragen punkten. Im Gegensatz zu Giarra-Zimmermann präsentierte er nicht zu jedem Problem einen Lösungsvorschlag. Stattdessen betonte er, dass ihm die gemeinsame Lösungsfindung mit den Wählerinnen und Wählern am Herzen liege.

Die Entscheidung: Gut zwei Stunden nach Beginn der Delegiertenversammlung hatte die SPD im Wahlkreis Bitburg ihren Kandidaten für die kommende Bundestagswahl bestimmt. Er heißt Jan Pauls. Gewählt wurde er bereits im ersten Wahlgang mit 36 von 67 Stimmen. Giarra-Zimmermann kann auf 18 Stimmen, Geisbüsch auf 12. Fand damit ein ungewöhnlicher Anfang einer Kandidatenaufstellung ein recht gewöhnliches Ende? Die politikwissenschaftliche Analyse folgt…

Text: Simon Jakobs und Benjamin Höhne

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