IParl-Projekt „Standing Orders of Parties in Parliament (SOPiP)”
Fraktionsgeschäftsordnungen regeln die Binnenorganisation parteilicher Gruppierungen im Parlament, verteilen Einflusschancen und haben nicht zuletzt eine symbolische Bedeutung, wenn sie das Selbstverständnis einer Fraktion zum Ausdruck bringen. Sie prägen die innerfraktionelle Willensbildung und strahlen damit auf den gesamten Parlamentsbetrieb aus. Nicht umsonst werden sie bisweilen auch als „Fraktionsverfassung“ bezeichnet.
Trotz ihrer Bedeutung für die parlamentarische Willensbildung im Fraktionenparlament stellen sie bislang einen politikwissenschaftlich wenig beleuchteten Forschungsgegenstand dar.
Im IParl-Projekt SOPiP wird in zweifacher Hinsicht eine vergleichende Perspektive eingenommen: Erstens soll die Entwicklung und Bedeutung der Fraktionsstatuten für Deutschland im Längsschnitt untersucht werden. Ausgangspunkt ist dabei, dass bereits in der Paulskirchenversammlung entsprechende Dokumente zur Regelung gruppeninterner Willensbildung vorhanden waren. Zweitens werden die Fraktionsstatuten international vergleichend untersucht, wobei auch unterschiedliche Systemtypen (parlamentarisch, präsidentiell), Systemebenen (Nationalstaaten, Europäisches Parlament) und Regimetypen (Demokratien, autoritäre Staaten) in den Blick genommen werden.
Aktuell stehen wir im Austausch mit internationalen Parlamentsexpert*innen, um einen größtmöglichen Datensatz an Fraktionsgeschäftsordnungen (im Quer- und Längsschnitt) zu erstellen. Ergänzend führen wir Interviews mit Personen aus der fraktionellen und administrativen Leitungsebene.
Wenn Sie sich für das SOPiP-Projekt interessieren oder uns mit Hinweisen weiterhelfen können, nutzen Sie gerne das Kontaktformular oder wenden sich direkt an die Ansprechpartner Dr. Danny Schindler und Oliver Kannenberg.
Bislang entstanden aus dem IParl-Projekt SOPiP folgende Publikationen und Working Paper:
Die Verfassung der Fraktion. Institutionelle Variationen und Institutionenwandel, von Danny Schindler und Oliver Kannenberg
Die formalen institutionellen Regelwerke der Fraktionen, ihre Geschäftsordnungen, zählen zu den wenig beleuchteten Dokumenten der Politikwissenschaft. Dabei ist ihnen eine Bedeutung über die Ordnung der innerfraktionellen Willensbildung hinaus zuzuschreiben. Im Projekt SOPiP (Standing Orders of Parties in Parliament), das am Institut für Parlamentarismusforschung durchgeführt wird, werden die Fraktionsverfassungen aus einer Längs- und Querschnittperspektive untersucht. Die Längsperspektive behandelt Genese und Wandel der Fraktionssatzungen in Deutschland. Zurückgehen lässt sich dabei bis zu den Abgeordnetengruppierungen im Paulskirchenparlament 1848/1849, deren Dokumente auch heute noch vorzufindende Regelungen enthielten. Ein internationaler Vergleich zeigt eine große institutionelle Variationsbreite für verschiedene Regelungsgegenstände wie etwa Führungsauswahl oder Abstimmungsdisziplin auf. Anhand einer Fallstudie zur SPD-Bundestagsfraktion werden erste Befunde und das Analysepotential zu institutionellen Reformprozessen illustriert. Zahlreiche weiterführende Untersuchungsfragen verdeutlichen die Notwendigkeit tiefergehender Analysen.
Der Artikel wurde veröffentlicht in der Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl), 53. Jg., H. 4, 2022, S. 730-746.
Elite domination or participatory democracy? Comparing the rules of the game within parliamentary party groups, von Danny Schindler und Oliver Kannenberg
In recent decades, there has been a vibrant debate on the organization of decision-making and degree of democracy within parties. Compared with those efforts, little attention has been paid to the Parliamentary Party Groups (PPG). Although their importance for the functioning of representative democracies is widely acknowledged, most studies treat them as "parties behind closed doors" whose work-ings remain rather hidden. We address this research gap by focusing on the formal rules of the game within PPGs, i.e. their standing orders. Approaching those constitutional documents comparatively, we ask three main questions: First, to what extent are the group’s decisions determined by their leadership? Second, to what extent can single members or minorities influence decisions on policy and other topics? In sum, how participatory or hierarchical are the formal decision-making procedures? More specifically, we develop a multi-facetted index with 34 items including leadership (de-)selection, voting discipline, and PPG agenda setting. The index is subjected to an empirical exami-nation by drawing on an original data set that includes 56 standing orders from ten countries. We show that PPGs heavily differ in their institutional design. Interestingly, this is not a question of group size or standing order length but of rule formalization. The more regulated PPGs are, the less elite domination is implied by their rulebooks.
Das Paper wurde vorgestellt auf dem IPSA World Congress 2021 vom 10.-15. Juli 2021 sowie der 7. international interdisciplinary conference of political research SCOPE: Science of Politics, 20.-24. September 2021.
Steuerungsinstrument und Anpassung an die Realität. Die Formalisierung politischer Führung in den Statuten der SPD-Bundestagsfraktion 1949-2019, von Danny Schindler
Geschäftsordnungsfragen sind – in den Worten von Wilhelm Hennis – „Machtfragen par excellence“. Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag die Entwicklung der Satzung der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Er zeigt, dass sowohl die Geschäftsordnung insgesamt als auch der Umfang an Führungskompetenzregeln seit 1954 sichtbar angewachsen sind. Zudem können deutliche Gewichtsverschiebungen zur beziehungsweise innerhalb der Leitungsebene ausgemacht werden. Diese Formen institutionellen Wandels verweisen auf die Anpassungsfähigkeit der Fraktion sowie den Status der Fraktionssatzungen als „lebende“ Dokumente.
Das Paper wurde vorgestellt auf der Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung „Die Geschichte und politische Arbeit der SPD-Bundestagsfraktion“ am 24./25. September 2020.
Fraktionsgeschäftsordnungen als unbestelltes Feld der Politikwissenschaft, von Danny Schindler und Oliver Kannenberg
Fraktionsgeschäftsordnungen regeln die Binnenorganisation parteilicher Gruppierungen im Parlament. Als „Verfassungen“ der Fraktionen sind sie sowohl funktional als auch demokratietheoretisch von großer Relevanz. Danny Schindler und Oliver Kannenberg stellen in der MIP das IParl-Projekt SOPiP vor und zeigen in einer ersten Kurzanalyse Veränderungen hinsichtlich Umfang und Inhalt der Regelungen auf.
Der Artikel wurde veröffentlicht in: MIP Zeitschrift für Parteienwissenschaft, 26. Jg. (2020), H. 2, S. 170-176.